Alles für das Eine

 

 

 

Es war Nacht. Der silberne Mondschein ergoss sich wie ein strömender Fluss auf die Bäume des großen Waldes. Die letzten Vögel sangen ihre Lieder, während die Welt langsam verstummte. Einzig und allein die Sterne strahlten noch ihr Licht über die Welt aus. Die riesigen Eichen warfen tiefe Schatten auf den steinernen Boden und in einer dieser Schatten saß eine Wölfin. Sie blinzelte. Ihre Augen hatten ein schönes, helles Braun. Ihr Fell war silbern, glänzend und doch war es struppig. Es war eine Rudelwölfin. Sie bewegte sich nicht und saß einfach nur dort. Schön und starr wie eine Statur. Ihr Blick glitt langsam und aufmerksam über ihre Umgebung, bis er an etwas hängen blieb. Ein Schatten huschte zwischen den Bäumen umher. Sie kniff die Augen zusammen. Der Schatten begann zu sprechen: „Du bist wiedergekommen Flink aus dem Windrudel?“ Ein riesiger schwarzer Wolf mit massigen Schultern und glühenden Augen trat ins Licht der Sterne. Die Wölfin neigte den Kopf: „Ich werde immer kommen Donner aus dem Donnerrudel.“ Eine Minute des Schweigens lag zwischen ihnen. Der Schwarze kam näher und suchte ihren Blick, doch sie wich ihm aus und starrte auf den Boden: „Es ist Zeit für unsere Entscheidung Donner“, sagte sie betrübt. „Nein“, sagte Donner ruhig. „Es ist Zeit für DEINE Entscheidung Flink…“. Flink hob den Kopf. „Aber wie Donner?“, ihre Stimme klang schmerzvoll und traurig. „Das Windrudel ist meine Familie. Meine Geschwister. Mein Wolfsvater und meine Mutter… all das ist im Windrudel…“. Donner fiel ihr ins Wort: „Und im Donnerrudel bin ich. Ich bin der Alpha des Donnerrudels. Dort bist du sicher. Du und unsere Welpen! Bedeute ich dir den gar nichts?“, Schmerz klang in seiner Stimme mit und seine Augen blickten tief verletzt. „Doch…“, sagte Flink leise. „Doch du bedeutest mir etwas…“. Tränen strömten aus ihren Augen und liefen über ihr schönes Gesicht. „Dann komm mit mir!“, sagte Donner laut. „Komm mit mir! Werde meine Gefährtin und komm mit mir ins Donnerrudel!“ Seine Augen blickten flehend zu ihr auf und in sanfterem Ton fügte er hinzu: „Bitte Flink.“ „Aber was ist mit dem Windrudel?“, fragte Flink. „Ich bin ihre Jägerin. Wer soll die Aufgabe übernehmen, die ich zu tragen habe?“ „Es gibt im Windrudel sechs Jäger“, knurrte Donner. „Sie werden ohne dich auskommen.“ Flink schwieg. „Und dein Bruder Sprung ist doch noch da. Er kann doch für das Rudel jagen“, fuhr Donner fort. „Ich würde Sprung schrecklich vermissen.“  Flink vergrub ihre Schnauze in Donners Fell. „Und alle meine Wurfgeschwister…“, winselte sie.  Donner leckte ihr übers Ohr. „Ich brauche dich Flink“, flüsterte er. Flink blickte auf. Ihre Augen starrten direkt in die von Donner. „Und ich werde bei dir sein…“, wisperte sie zurück. „Ich komme mit dir, Donner vom Donnerrudel! Ich will nie mehr getrennt von dir sein.“ Donners Augen leuchteten auf. „Dann wirst du von nun an, Flink Donnerrudel heißen“, sagte Donner feierlich. „Ja…“, sagte Flink leise. „Ich werde dem Donnerrudel angehören.“ Ich und die Leben, die in mir wachsen, fügte sie in Gedanken hinzu. „Dann lass uns aufbrechen, Fink Donnerrudel!“, knurrte Donner und tappte mit schweren Pfotenschritten am Rand des Waldpfades entlang, von dem er gekommen war. Flink schaute traurig zurück auf den Weg, den sie genommen hatte. Lebt wohl Ma und Pa, dachte sie. Lebt wohl ihr alle!  Dann folgte sie ihrem Gefährten für immer fort vom Windrudel, in Richtung der aufgehenden Sonne.

 

 

 

Zu der Geschichte „Alles für das Eine“ ein Gedicht:

 

 

 

Folg deinem Herzen und folg deinem Traum/

 

Egal wohin, in welchen Raum/

 

Lass dich leiten von lieblicher Schwinge/

 

Durchfließendes Glück und feurige Ringe/

 

Lass dich entführen von irdischer Pein/

 

Die Liebe ist dort, wo du auch sollst sein/

 

 

 

(11 Jahre)