Wie eine Puppe

 

Als Susanne die Augen öffnete, war ihr Zimmer bereits hell erleuchtet. Es war Sommer und die Sonne schien durch ihr Fenster und traf genauso auf ihren Spiegel ,der an ihrer Wand hing, dass das ganze Zimmer mit dem orangenen Licht des Sonnenaufgangs erfüllt war. Susanne liebte diese Atmosphäre, die dieses Licht in ihr Zimmer zauberte und ein Lächeln legte sich auf ihr Gesicht. Susanne streckte ihre Arme in die Luft und fühlte wie sich alle ihre Knochen langsam in die richtige Position schoben.
 „Anne, bist du fertig?“ – sie hasste es wenn ihre Mutter sie Anne nannte, trotzdem korrigierte sie sie nicht. Sie hatte es eine Zeit lang versucht ihre Mutter auf Susa umzugewöhnen, aber als sie die Enttäuschung in dem Blick ihrer Mutter sah, hatte sie es doch wieder bleiben lassen.
Als Susanne jedoch ihre Stimme erheben wollte um ihrer Mutter mitzuleilen das sie sofort zum Frühstück erscheinen werde, fiel ihr das fehlende Volumen in ihrer Stimme auf , sodass sie bis kurz vor die Heiserkeit schreien musste, um ihre gewohnte Lautstärke zu erreichten. Ihre Mutter war etwas irritiert über den Klang der Stimme ihrer Tochter, dachte sich dann aber dass Anne bestimmt erkältet sei.
Susanne hingegen stellte mit Erschrecken fest, dass ihre Arme nicht genug Kraft aufbringen konnten um die Bettdecke anzuheben, unter der sie noch immer lag. Nach einem kurzen Moment totaler Verzweiflung entschloss sich Susanne, nun einfach oben über ihr Kissen aus ihrer Decke herauszuschlüpfen und war erstaunt wie viel Platz sie auf ihrem Kissen fand.
Da ihr Wecker aber berreits zum zweiten Mal geklingelt hatte stützte sich Susanne auf ihr Kissen, setzte sich auf und wollte gerade beginnen sich für den Tag herzurichten als sie mit Schrecken feststellte, dass sie nicht nur aus ihrer Bettdecke, sondern ebenfalls aus dem Kragen ihres Nachthemdes geklettert war, welches ihr nun in der Größe vorkahm wie eins ihrer Bettlaken.
Da dadurch jedoch nicht nur ihr entsetzen geweckt wurde, sondern auch ihre Neugierde, versuchte Susanne sich auf ihr Bett zu stellen, was ihr zu ihrer Überraschung ziemlich einfach gelang, um ihre kuriose Situation zu überblicken.
Sie schaute sich um, konnte in ihrem Zimmer jedoch nichts ungewöhnliches feststellen. Alles lag an seinem Platz, ihr Zimmer war so penibel aufgeräumt wie immer (denn Susanne liebte die Ordnung) und überhaupt schien nichts ungewöhnlich zu sein.
Als Susanne jedoch nach dieser Erleichterung von ihrem Bett springen und ins Bad gehen wollte, viel ihr die ungeheure Höhe zwischen ihrem Boden und der Bettkannte auf, die es zu überwinden galt.
Da ihr Nachttisch etwas niedriger war als ihr Bett sprang Susanne zuerst auf ihre Abendlektüre (der Hobbit von J.R.R. Tolkien) , bevor sie sich auf der Glasplatte ihres Tisches wiederfand. Von dort aus fing sie an das Tischbein herabzuklettern bis sie die Stelle erreicht hatte an der sich das Kabel ihrer Nachttischlampe um das Tischbein gewickelt hatte, was sie sonst immer fast zur Weißglut brachte, sich angesichts ihrer jetzigen Situation aber als Segen herausstellte, denn jetzt musste sich Susanne nur noch auf das Kabel setzten und hinabrutschen damit sie ihre beiden Füße auf den staubigen Parkettboden stellen konnte.
Da sie jetzt erst so wirklich realisierte das sie die Größe ihres etwas abgespitzten Bleistiftes besaß, setzte sich Susanne erstmal auf den Rand ihrer Mehrfachsteckdose, die unter ihrem Nachttisch stand, und dachte über ihr weiteres Vorgehen nach.
Alle ihre bisherigen Klamotten waren ihr um Längen zu groß aber sie wollte auch nicht nackt vor ihre Mutter treten um mit ihr das weitere Vorgehen zu besprechen und so stand Susanne schließlich auf und ging zur Tür um in das Zimmer ihrer Schwester zu gehen, die ein Puppenhaus besaß und von der sich Susanne ein paar Kleider leihen wollte.

 

Da sie sich jedoch nicht in der Lage sah die Tür zu öffnen, musste sie sich auf den Boden legen und ihren Körper durch den Spalt zwischen Tür und Boden zwängen.
Als sie diese Hürde erfolgreich, wenn auch nicht ganz unversehrt gemeistert hatte(sie hatte sich den Kopf an der Unterseite der Tür angestoßen) nahm sie Anlauf und rannte dann an das andere Ende des Flures, wo sich das Zimmer ihrer Schwester befand.
Dort angekommen bemerkte sie erleichtert das ihre Schwester ins Bad gegangen war und ihre Tür dabei einen Spalt weit aufgelassen hatte.
Durch eben diesen Spalt schlüpfte Susanne jetzt in das Zimmer ihrer Schwester und schaute sich nach dem Puppenhaus um.
Mit Erleichterung stellte sie fest das ihr das blaue Puppensommerkleid, welches ihr von allen Puppenkleidern ihrer Schwester schon immer am besten gefallen hatte, passte als wäre es für sie geschneidert worden.
Jetzt da sie etwas an hatte wollte Susanne ihrer Mutter von dem ungewöhnlichen Vorfall erzählen und sie um Rat fragen, das sie sich mit ihrer Mutter sehr gut verstand und machte sich auf den Weg in die Küche.
Da dieser allerdings für sie ziemlich lange war und sie über die Treppen ins Erdgeschoss laufen musste war es nicht verwunderlich, dass ihre Mutter ihr, da sie nichts mehr von ihrer Tochter gehört hatte und sich sorgen machte ob da nicht vielleicht etwas passiert sei, bereits entgegen kam.
Susanne empfand tiefe Erleichterung als sie die Schritte ihrer Mutter hörte, da dies für sie weniger Weg bedeutete (Sie war schon ganz außer Atem von dem ganzen Dauerlauf).
Als ihre Mutter jedoch in Sichtweite kam begann Susanne zu begreifen das sie von ihrer Mutter mit Sicherheit nicht gesehen werden würde und da ihr das Atmen schwehr fiel konnte sie auch nicht durch rufen auf sich aufmerksam machen.
So musste die arme Susanne hilflos mitansehen, wie sich die Schuhsole ihrer Mutter ganz langsam auf sie zubewegte und drohte sie zu zerquetschen.
Da
  nahm Susanne all ihre Kraft zusammen, sprang vom Boden ab, fasste die Kante der Sohle und hing dort erst einmal eine Weile bis sie schließlich die Kraft aufbrachte sich hoch auf den Schuh zu ziehen und schließlich auf der silbernen Schnalle, die die Schuhriemen am Fuß ihrer Mutter befestigte , zum Stehen kam.
Ihre Mutter, die sichtlich irritiert war von dem Gewicht das nun auf ihrem Schuh lastete, hielt Susanne im ersten Moment für einen Käfer oder anderes Ungeziefer und versuchte sogleich ihre Tochter von ihrem Schuh abzuschütteln.
Da sich Susanne jedoch an dem Schuh ihrer Mutter festhielt und nicht so leicht abzuschütteln war, beschloss ihre Mutter ihren Schuh zu nehmen und ihn etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Sie konnte ihren Augen nicht trauen als sie daraufhin ihre kleine Tochter Anne auf ihrem Schuh sitzen sah und glaubte an einen Traum oder eine eigenartige Täuschung bis Susanne ihr glaubwürdig versichern konnte wirklich auf ihrem Schuh zu sitzen und wirklich ihre Tochter Anne zu sein.
Auf die Frage hin wie Susanne zur Schule gehen sollte, so klein wie sie jetzt war, entgegnete ihre Mutter nichts sondern nahm lediglich ihr Telefon aus ihrer Hosentasche und meldete Susanne für den Rest der Woche krank.
Als Susanne dann darauf bestand ihre Freundinnen zu informieren wählte ihre Mutter die Nummer von Isa und legte das Telefon auf den Küchentisch auf dem sie Susanne mittlerweile abgesetzt hatte.
Isa bedauerte Susas fehlen, kündigte sich nach der Information das es keine Krankheit wäre sondern eher was persöhnliches jedoch für das Mittagessen an und ließ es sich nicht nehmen auch noch Monika und Klette mitzubringen.

 

Susa, Isa, Moni und Klette (die eigentlich Katharina hieß) waren seit dem Kindergarten unzertrennlich gewesen und machten seither alles gemeinsam.
Da bis Mittag jedoch noch sieben Stunden Zeit blieben, hatten Susanne und ihre Mutter genug Zeit eine Erklärung für dieses mysteriöse Schrumpfen Susannes zu finden, als mitten in den Planungen Susannes kleine Schwester Klara hineinplatze, die ihr blaues Puppenkleid vermisste.
Sie staunte nicht schlecht als sie es an ihrer Schwester Susanne wiederfand und wollte sie sogleich zum Spielen in ihrem Puppenhaus mitnehmen, als der Blick ihrer Mutter auf die Uhr über der Tür fiel und ihr mit Schrecken auffiel das Karla schon längst hätte in der Kita sein müssen.
Da sie in der Eile vollkommen vergessen hatte das Susanne noch immer auf dem Küchentisch stand und sie langsam Hunger verspürte musste diese nun über die Butterdose in den Brotkorb klettern, um sich etwas zu essen zu machen. Susanne brach sich also ein für sie etwa Tellergroßes Stück von einer halben Brotscheibe ab und warf es über den Rand des Brotkorbes, bevor sie selbst zurück auf den Tischkletterte.
Danach nahm sie den Haustürschlüssel ihrer Mutter, den ihre Mutter in der Eile hatte liegen lassen, und bestrich ihr Brot mit etwas Frischkäse, der in einer kleinen Schüssel auf dem Tisch stand.
Dann aß sie ihr Brot und stellte mit Vergnügen fest, nichts von ihrem Appetit verloren zu haben.
Als Ihre Mutter (und der Schlüsseldienst) anderthalb Stunden später durch die Haustür kamen saß Susanne auf der Butterdose und flechtete sich die Haare.
Sie tat dies nur, weil sie auf dem Küchentisch keine bessere Beschäftigung fand aber auch nicht von dem Tisch runterkahm um sich eine bessere Beschäftigung zu suchen.
Daher war es auch nicht verwunderlich das Susanne sichtlich erleichtert war als sie die Stimme ihrer Mutter vernahm.
Als diese jedoch in die Küche kam nahm sie keine Notiz von Anne sondern begann direkt das Mittagessen vorzubereiten.
Erst als Susanne begann mit Brotkrümeln nach ihrer Mutter zu werfen drehte die sich um , entschuldigte sich bei Anne , setzte sie neben den Topf in dem Sie sie Soße für die Nudeln vorbereitete und fuhr mit dem kochen fort.
Als Susannes Freunde kurz danach an der Tür läuteten nahm ihre Mutter Anne hoch und setzte sie zu den Tassen in den Hängeschrank.
Danach öffnete sie die Tür und bat Isa den Tisch zu decken. Klette reagierte etwas überrascht als Susannes Mutter sie bat ein Puppenservice aus Klaras Zimmer zu holen , dachte sich dann aber das Klara bestimmt ihre Puppe mit zum Essen nehmen wollte.
Als nun alle am Tisch saßen und jedem aufgegeben war holte Susannes Mutter ihre Tochter aus dem Hängeschrank, setzte sie an den Tisch zu dem Puppernservice und gab ihr ebenfalls auf.
Keiner ihrer Freunde sagte etwas, nicht einmal Moni wagte es die Situation zu kommentieren.
Nach dem sie eine lange Weile in absoluter Stille gegessen hatten,stand Susanne schließlich auf und erhob das Wort.