Schattenreich
Es war einmal……..Halt! das ist kein Märchen, oder doch? Wer weiß. Jedenfalls beginnt es erst richtig mit der Szene einer alten Bibliothek. Stellt euch einfach eine uralte Bibliothek vor, so alt, dass mehr als die Hälfte der Bücher mehr oder weniger zerfallen sind. Die hölzernen Bücherregale knarzen unter dem Gewicht antiker Bücher. Merkt euch diese Szene gut, denn hier fängt die Geschichte an………Nur mal vorneweg ein Tipp, damit ihr die Geschichte versteht: die Hauptfigur ist wahnsinnig. Aber in gewisser Weise auch ein Held. Zwischen Wahnsinn und Mut liegt ein schmaler Grad, jedoch werden über Wahnsinnige in der Regel weniger Geschichten erzählt.
Bevor die Sonne aufgeht und der Mond bereits verschwunden ist und man nicht weiß, ob es noch Tag oder Nacht ist, wacht unsere Hauptfigur namens Mathilda auf. Sie wohnt in einem ganz normalen Hochhaus mit einer ganz normalen Familie. Diese besteht aus zwei etwas melancholischen Elternteilen und zwei Geschwistern namens Alf und Maria. Mathilda ist die Einzige, die aus der Reihe fällt. Natürlich nicht äußerlich , denn sie sieht aus wie ein normales Mädchen. Blonde, mittellange Haare, mittelgroß - nicht gerade auffallend. Es geht um ihr Verhalten und ihre Entscheidungen, die sie trifft. Nehmen wir mal folgendes Beispiel: Alle Kinder in der Schule wurden gewarnt, nicht auf die Bäume des Schulgrundstücks zu klettern, da diese hauchdünne und morsche Äste haben. Welches Kind klettert auf diese hauchdünnen Äste, die bei Belastung natürlich sofort brechen?
Für die Umstehenden sah es entweder so aus als wäre sie vom Pech verfolgt oder wahnsinnig. Die meisten entschieden für letzteres. Ihre Familie sah das leider genauso, sie schleppten sie zu Psychologen, doch aufgrund der Erfolglosigkeit gaben ihre Eltern irgendwann auf. Schließlich schleppten sie sie zu allen Aktivitäten mit. Heute stand Bibliothek auf dem Familienplan. Das bedeutete, sie würden den halben Tag mit Schmökern verbringen und halbaufgeweichte Kekse essen. Mathilda konnte nicht verstehen, was daran Spaß machen sollte. Allerdings liebte sie Bücher, was eigentlich vollkommen widersinnig erscheint, wenn man Bibliotheken hasst. Aber wie gesagt unsere Hauptfigur ist wahnsinnig. Also ließ sie sichmit zur Bibliothek schleppen. Wieder den grauen, verschmutzten Weg entlang, vorbei an braunen Häusern, an denen schon der Putz abblätterte. Dann kam ein großes Haus mit Schwenktüren und schon betrat man die Bibliothek. Die Geschwister von Mathilda rannten sofort zu der Abteilung mit den Ponygeschichten und den Kinderkrimis, ihre Eltern nahmen die neuen Bücher in Beschlag. Mathilda sah sich um……Ponygeschichten? Zu kitschig, vielleicht die Krimibücher mit richtig viel Nervenkitzel? Nö, zu gruselig. Da blieb ihr Blick an einem ausrangierten Stapel hängen. Ganz oben lag ein schwarzes Buch mit dem eindrucksvollen Namen „Schattenreich“. Irgendetwas an diesem Buch zog Mathilda an sich. Also nahm sie es vom Stapel. Ein magisches Kribbeln fuhr durch ihre Fingerkuppen und alles verschwamm vor ihren Augen. Ein ohrenbetäubender Lärm umgab sie, ja zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie Todesangst. Als sie ihre Augen wieder öffnete, trug sie zerrissene Lumpen. Erstaunlicherweise war sie auf etwas Weichem gelandet, das ebenfalls Lumpen trug. Schnell stieg sie runter, vielleicht war es ja lebendig! „Uff zum Glück…He wer bist du und warum hast Du Dich mit Deinem ganzen Gewicht auf mich draufgesetzt?!“ sagte ein klapperdünner Junge mit verfilzten Haaren. Da stammelte Mathilda: „I-ich bin M-ma-Mathilda und bin……“ Sie hatte keine Ahnung, was sie jetzt sagen sollte, also sagte das, was ihr die meisten Leute zu ihr sagten: „U-und ich bin wahnsinnig!“ „Tja das sind die meisten hier“ sagte der Junge und lachte freudlos. „Ich bin übrigens Nr.3“ „Nr.3?“ fragte Mathilda ungläubig. „Ja hier hat jeder eine Nummer, da wir sowieso alle sterben, und das nur wegen dieses Tyrannen König Python“ sagte er wütend aber auch traurig zugleich. „Schlangenkönig?“ fragte Mathilda. „Ja, Schlangenkönig und ich werde ihn stürzen!“ rief er todesmutig. Also erwiderte sie das Wahnsinnigste, was man dazu nur sagen kann: „Ich werde Dir helfen!“ Verdutzt sah Nr.3 sie an… „Das würdest Du wirklich tun?“ „Ja natürlich, ich bin doch wahnsinnig“ antwortete sie schulterzuckend. „Gut, wir gehen im Schutz der Dunkelheit los, und besiegen dieses Monster“ sagte er schon fast triumphierend. Stolz schritt er los, Mathilda konnte ihm kaum folgen.
Zum ersten Mal seitdem sie in diese Welt geraten war, hatte sie die Chance sie zu betrachten. Ein dichtes Geflecht mit vertrockneten Büschen und düsteren Bäumen, die sich wie Wolfsfänge zu ihnen hinunter wölbten, nur darauf wartend sie hinunter zu stoßen. Öfters verhakten sich ihre Lumpen in den dornigen Büschen oder sie stolperte über knorrige Wurzeln. Es gab kein sichtbares Leben außer ihr und Nr.3. Nicht einmal Vögel flogen über die Baumwipfel, nur widerliche Maden waren zu sehen. „Wohin führt dieser Weg?“ piepste sie mit ängstlicher Stimme. „Er führt uns direkt in das kranke Herz dieser Welt“ antwortete er. „Was macht dieser Python eigentlich so“ fragte sie neugierig. „Och, wenn er mal nicht damit beschäftigt ist Kriege gegen die im fernen Westen zu führen, murkst er jeden einzelnen nach System ab, zum Beispiel diese Woche müssen alle in dem Distrikt Nr.45,656876876 daran glauben“ „W-w-w-wah-waaassss??!! Rief Mathilda. „Yup, meine Eltern, die damals im selben Distrikt lebten, sind auch…Nicht. Mehr. Am. Leben“. Eine tödliche stille umgab die beiden, nichts, nicht einmal ein Vogelkrächzen störte die Stille.
Auf einmal lichtete sich das Gehölz und man sah auf eine trostlose Ebene, die einer Steinwüste hätte gleichkommen können. Wenn da nicht zigtausende, aneinandergereihte, graue Häuser wären. Alle waren gleich hoch, gleich breit und hatte die gleiche Farbe. Es sah schlichtweg einfach so aus, als hätte ein lausiger Architekt alles gleich vermessen, und alle aus dem gleichen Material erstellt. Sosehr Mathilda sich auch anstrengte, sie konnte nichts Frohes entdecken. Sogar die schmutzigen grauen Gestalten, die zwischen den Häusern liefen, waren gleich gekleidet, egal ob sie männlich oder weiblich waren. Gleich groß, und alle hatten diesen leeren Ausdruck im Gesicht. Mitten in dieser trostlosen Stadt, war ein riesiges Gebäude, das von einer eindrucksvollen Wehrmauer umgeben war. „Hier regiert der Wahnsinn in persona, und zwar in der Gestalt von König Python“ sagte Nr.3. „Woher hat er seinen Namen“ fragte Mathilda deutlich interessiert. „Wie du siehst, hat hier jeder den gleichen Ausdruck, gleiche Statur, gleiches Haus - Du weißt schon. Nur hat er einen geschuppten Körper und eine gespaltene Zunge“, erklärte Nr.3. „Wo kommt er her?“ fragte Mathilda. „Woher soll ich das wissen?“, schrie Nr.3 eindeutig genervt. Gerade als sie an einem besonders großen Busch vorbeiliefen, brach auf einmal ein schwarzes Pferd mit vermummtem Reiter aus dem Gebüsch. Das erschreckende war aber, dass er ein Schwert in der Hand hielt, das auf ihre Brust zeigte. Auf einmal kamen noch zwei Soldaten in silberner Rüstung auf die beiden zu und packte sie an den Armen. Verzweifelt versuchte sie sich zu befreien, doch der Griff des Soldaten war eisern. Sie presste ihre Augenlider aufeinander, in der Hoffnung sie würde in der staubigen Bibliothek wieder aufwachen. Aber als sie ihre Augen wieder öffnete, fand sie Nr.3 schmerzverzerrtes Gesicht vor sich. Auf einmal blickte sie in das vermummte Gesicht des Soldaten. Erst jetzt fiel ihr die muskulöse Statur auf. Das Silber der Rüstung glänzte, aber unter der Rüstung waren schwarze Tücher, die seine Gestalt verdeckten. Als sie allerdings in sein Gesicht blickte, war ein dämonisches Grinsen zu sehen. Das Letzte was sie sah, war das Schwert, das in ihr Herz stieß.
The End