z Unendlichkeit z

 

 

 

„Mama“, sagte die achtjährige Hazel zu ihrer Mutter. Ihre Mutter antwortete nicht. „Mamaaaaa!“ Stille. „Ich gehe jetzt in den Wald“. Sie schrie die ganze Wohnung zusammen. Ihre Mutter saß immer noch mit Bierflaschen wie gelähmt vor dem flimmernden Fernseher. Hazel schnappte sich ihre quietschgrüne Regenjacke und öffnete die morsche Tür. Ihre Mutter stand auf. Sie holte sich eine neue Bierflasche. Hazel konnte das nicht mehr mit ansehen. Zur Schule ging sie nicht, da sie irgendwo mitten in der Wildnis Kanadas wohnten. Einen Vater hatte sie auch nicht.

 

Es nieselte. Aber das machte Hazel überhaupt nichts aus. „Tschühüsss!“ Sie knallte die Tür hinter sich zu und lief mitten in den Wald. Da sie hier fast jeden Tag spielte, fiel es ihr nicht sonderlich schwer, sich in dem unendlichen Grün zu orientieren. Sie rannte durch den Wald, als gäbe es kein Morgen mehr. Plötzlich stolperte sie, und fiel auf ihr Knie. Es blutete. Sie weinte, doch Hazel wusste, niemand würde sich um sie kümmern, wenn sie zu Hause verletzt ankäme. Erst recht nicht ihre Mutter. Sie musste sich zusammenreißen! Sie wollte erst nach Hause, wenn ihre alkoholsüchtige Mutter eingeschlafen war. Deswegen rannte sie weiter. Immer tiefer in den dichten Wald. Es wurde immer dunkler.

 

Diesen Teil des riesigen Waldes, hatte sie noch nie zuvor gesehen. Aber worüber war sie gestolpert? Eine normale Wurzel war das nicht. Außerdem war der Wald hier so dicht und dunkel, dass man denken könnte, es wäre tief in der Nacht. Sie sah sich um, doch niemand war da. Ihr war etwas mulmig zumute. Auf einmal raschelte es irgendwo hinter ihr. „Hallo?“, fragte Hazel ängstlich. „Ist da jemand?“ Noch ein Rascheln. Diesmal wurde es lauter. Schlagartig drehte sie sich um. Was war das? Ein kleines windschiefes Haus stand plötzlich einfach so mitten zwischen den Bäumen. Hazel staunte. Das Häuschen war ungefähr so groß wie ein Bus. Das Seltsame an der Hütte war jedoch, dass es weder Fenster noch Türen besaß. „Seltsam“, murmelte Hazel, „Ich bin mir zu 1000 % sicher, dass dort eben noch kein Haus stand.“ Es wurde Abend und Hazel war durch den Regen völlig durchnässt. Außerdem hatte sie sich verlaufen und ihr war extrem kalt. Das Haus hatte einen Schornstein, aus dem es tüchtig qualmte. Als Hazel auf den Schornstein aufmerksam wurde, dachte sie sich: „Wo es einen Schornstein gibt, muss es auch einen Kamin geben. Was bleibt mir anderes übrig, als zu probieren in dieses seltsame Haus rein zu kommen?“

 

Sie tastete die Wände ab. Nix . Keine Tür, keine Fenster. Was war das für ein Ding?                

 

Das Einzige, was das Haus von außen besaß, war dieser rußige Schornstein. Aus Frust schloss sie die Augen und weinte einfach los. Als sie ihre rot verweinten Augen wieder öffnete, wurde ihr schlecht. Sie war irgendwo in einem Gang. Ein langer Gang. War das etwa das Innere des kleinen Hauses? Doch dann könnte der Gang niemals so lang sein! Man sah noch nicht mal ein Ende… Sie weinte wieder. Jedoch war ihr jetzt nicht mehr kalt. Es war warm und roch nach … Nebel.

 

Der Gang war recht unspektakulär. Rote Kerzen spendeten ein dämmriges Licht.

 

Der Gang war mit rotem Samt ausgelegt und hin und wieder sah man an den Wänden kleine Türen, die recht alt aussahen.

 

Hazel fühlte sich beobachtet, als sie ein erneuertes Rascheln hörte.

 

Blitzschnell drehte sie sich um und sah einen riesigen Schatten. Ohne nachzudenken und aus voller Panik öffnete sie eine der Türen und sprang hinein.

 

Weg war sie.

 

Einfach weg. Sie landete in einem weißen unendlichen Raum, der einfach nur seltsam war. Der Schatten war weg. Jegliches Zeichen von Zivilisation war nicht zu erkennen: kein Haus, kein Gang, kein Samt, nix!

 

Hazel war emotional am Ende. Was geschah hier mit ihr? Wie spät war es? Und wer oder was war gerade eben hinter her?

 

Sie schloss die Augen. Vielleicht wurde sie dann ja wieder wo anders hinteleportiert, so wie sie eben in den Gang gebeamt wurde. Doch nichts geschah. Sie schloss ihre Augen noch fester, so dass es ihr schon fast wehtat. Immer noch nichts. „Hilfe! Ist da jemand? Mama? Hallo? HILFE!“, schrie Hazel. Sie konnte und wollte nicht mehr. Wie konnte sie nur in so kurzer Zeit in diese Lage hineinversetzt werden? „Jammern hilft jetzt auch nicht weiter. Ich muss überlegen...”, dachte sich Hazel.  Doch ihr fiel überhaupt nichts ein. Also ging sie einfach mal geradeaus. Ohne zu wissen, was geradeaus in diesem „Raum“ bedeutete. Es bedeutete: Unendlichkeit.

 

Als es nach längerer Zeit genau so aussah, wie es vorhin war, beschloss Hazel, sich schlafen zu legen. Vielleicht wäre das ja alles nur ein übler Traum. Doch das war es nicht.

 

Gerade als Hazel eingenickt war, wurde sie schlagartig wieder von diesem gruseligen Rascheln geweckt. Hazel sprang auf und rannte weg. Der Schatten war nun wieder zu sehen. Was zum Himmel war dieses Etwas? Doch Hazel wollte einfach nur weg von dem Ding, egal wo sie landete. Hauptsache sie war woanders. Einfach woanders.

 

„Ahhhhhhh!“, Hazel fiel hin. Nun blutete ihr anderes Bein. Als hätte dieser Schatten nur darauf gewartet, hörte Hazel das Geräusch einer Zunge, die etwas ableckte. Ihr Blut .

 

Obwohl sie nicht mehr rennen konnte, sie nur noch schlecht Luft bekam und ihre beiden Knie bluteten, rannte sie weiter.

 

Sie war über dasselbe Ding gestolpert, wie eben im Wald. Es schien immer plötzlich aus dem Boden erschienen zu sein. Aber woher? Das waren ihr einfach zu viele Fragen. Sie schloss die Augen und spürte nichts mehr.

 

Nie mehr würde sie jemals ihre Augen mehr öffnen können. NIE wieder.

 

 

 

19. Oktober, Kanada (aus der Daily News)

 

Ein achtjähriges Mädchen aus Mount Edith Cavell vermisst!

 

Ihre Mutter ließ Hazel Mc Farlow zum Spielen raus, doch sie sah ihre Tochter auch nach ausgiebigem Suchen nicht wieder. Handelt es sich um eine Entführung?

 

 

 

 

 

2 Jahre später; 12. August (Polizeianzeige)

 

Hazel Mc Farlow immer noch nicht gefunden, Polizei ermittelt weiter.

 

Jede Information über das damals achtjährige Mädchen kann uns helfen.

 

Hinweise bitte unter: 911.

 

Jeder Hinweis hilft!

 

 

 

Hazel blieb für immer verschwunden. Nach neun Jahren Sucherei schloss die Polizei den Fall ab und niemals wieder wurde nur ein Wort über Hazel Mc Farlow verloren. Selbst nicht von ihrer eigenen Mutter.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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11 Jahre