Die Reise eines Joghurtbechers

 

Hallo. Ich bin’s. Hier! Hier unten. Siehst du mich? Ich bin der Joghurtbecher, den du vor ein paar Wochen auf deinem Balkon genossen hast. Hey, jetzt schau doch mal. Hast du mich entdeckt? Ich schwimme hier, mit sechsundvierzigtausend anderen Plastikabfällen auf einem Quadratkilometer des Ozeans. Warum schaust du denn so erstaunt? Hättest wohl nicht gedacht, dass ich mal hier lande oder? Ist eigentlich auch ein recht ungewöhnlicher Lagerungsort für einen Plastikbecher. Wenn ich so nachdenke, aus welchen Stoffen ich bestehe, müsste ich an einen anderen Ort gebracht werden. Dort, wo meine Giftstoffe für keinen gefährlich werden können. Sogar du bist davon betroffen, dass die Regierung, große Unternehmen und auch du selbst, den anfallenden Plastikmüll einfach ins Meer kippen. Rund siebzig Prozent der Erde sind mit Wasser bedeckt und somit auch mit sämtlichen Abfällen, welche tagtäglich produziert werden. Dreiviertel dieser Meeresabfälle bestehen aus Plastik, so wie ich auch, und meine Lebensdauer beträgt dreihundertfünfzig bis vierhundert Jahre. Erst dann werde ich vollständig vom Radar verschwunden sein. Doch zunächst zersetze ich mich in meine Einzelteile. Ab diesem Moment an wird es für mich spannend werden. Was passiert wohl mit mir auf meiner langen Reise? Werde ich zu den siebzig Prozent des Plastikmülls gehören, welcher auf den Meeresgrund sinkt oder zu den fünfzehn Prozent, die an umliegende Strände geschwemmt werden. Wer weiß, vielleicht treffen wir uns bei deinem nächsten Urlaub in der Karibik wieder, wo du eigentlich nur in Ruhe am Strand spazieren gehen möchtest, aber immerzu aufpassen musst, dass du dich nicht an den scharfen Kanten des Plastikmülls schneidest oder sogar daran hängen bleibst. Aber dann lässt du deinen Spaziergang eben einmal ausfallen. Doch diese Wahl haben die Meeresbewohner nicht. Sie müssen die Flut an Abfällen passieren, ob sie wollen, oder nicht.  Hast du darüber mal nachgedacht? Eine ganze Weile trieb ich neben den Plastikringen eines Sixpacks Bier umher. Er war ein angenehmer Wegbegleiter. Doch leider war die Reise für ihn schnell zu Ende. Er kollidierte mit einer Robbe. Sie verhakten sich miteinander und ich wollte helfen beide zu befreien, doch was kann ein Joghurtbecher schon groß anrichten. Ich habe weder Arme noch Beine um beide aus ihrer misslichen Lage zu helfen. Was aus den beiden geworden ist weiß ich nicht. Doch beide waren ziemlich gestresst und kraftlos als ich mich weitermachte, um den Anschluss an meine Gruppe nicht zu verlieren. Jetzt hab ich ein Plastiknetz neben mir, welches fürchterlich nach Zwiebeln stinkt. Ich hätte mir etwas Besseres vorstellen können aber so ist das Leben nun mal.  Dennoch lasse ich mich von meinem Reiseziel nicht abhalten. Ich möchte nämlich zum weltbekannten Müllstrudel im Nordpazifik, wo wir alle immer wieder durch die Luft gewirbelt werden. Das ist besser als jede Achterbahn und dabei auch noch so groß wie Zentraleuropa und somit auch von allen Müllstrudeln die es gibt der größte. So groß, dass man ihn sogar vom Weltall aus sehen kann. Ich hoffe es springt ein schönes Satellitenbild für mich heraus. Du denkst dir wahrscheinlich, warum erzähle ich dir all diese Dinge. Du alleine kannst doch sowieso nichts ändern und eigentlich schadet dir die Verschmutzung der Ozeane durch Berge von Plastikmüll doch gar nicht. Du bist nur eine von vielen und wenn die anderen nichts an ihrem Verhalten ändern, warum solltest du dich dann umstellen? Ich nenne dir jetzt mal einen ausschlaggebenden Grund und hoffe, dass er dich zum Nachdenken anregt. Denn ich versichere dir, dass auch du ganz persönlich von dieser Fahrlässigkeit betroffen bist. Wenn ich mich zersetzte, werde ich irgendwann immer kleiner und kleiner. Nach hunderten Jahren bin ich dann nur noch ein winziges Plastikpartikel. So klein, dass mich so mancher Meeresbewohner mit einem Stück Plankton verwechselt. Das ist schon der einen oder anderen Muschel passiert und es geht auch das Gerücht rum, dass sich einige meiner Freunde in den Bäuchen von Fischen herumtreiben. Und die wenigen Meeresbewohner, die dies Überleben und nicht qualvoll ersticken oder mit vollen Bäuchen verhungern, werden von Menschen gefangen und gegessen. Somit gelangen die Giftstoffe, wie Weichmacher, welche sich in uns befinden auch in den menschlichen Organismus. Woher willst du dir sicher sein, dass sich in deinem Körper nicht auch schon Giftstoffe angesammelt haben? Und weißt du überhaupt, was dies für dich zur Folge haben kann? Viel ist darüber noch nicht erforscht worden doch fest steht, ich bin krebserregend und kann sogar zur Unfruchtbarkeit führen. Hättest du nicht gedacht oder? Und jetzt überlegst du doch gleich zweimal, ob du das nächste Mal im Supermarkt wieder eine Plastiktüte kauft, oder doch lieber eine gebrauchte von zu Hause einsteckst und den Ozeanen somit bei der Bewältigung der Überflutung von Tüten, Flaschen, Plastiknetzen, Feuerzeugen und Zahnbürsten hilfst. Denn glaub mir, auf andere zu warten bringt niemanden weiter. Wenn niemand den ersten Schritt macht, wird es keine Besserung geben. Dabei kannst du etwas erreichen, da bin ich mir sicher.  Einfach auf Dinge verzichten, die mit Plastik verpackt sind oder Verpackungen mehrmals verwenden. Zur Papiertüte statt zur Plastiktüte greifen. Mehrwegflaschen kaufen und Organisationen unterstützen, die sich für die Säuberung von Ozeanen einsetzten. Klingt doch gar nicht so schwer oder? Ist es auch nicht. Du hast es in der Hand.