Begegnung mit den Chipis

 

"Kannst du überhaupt irgendetwas, Carolin?", sagte Maik mit einem gemeinen Grinsen zu meiner Klassenkameradin und ich stand daneben. Plötzlich sagte Maik zu mir: "Cara, was guckst du denn so?" und ich sagte wie immer nichts. Aber das ist jetzt vorbei. Jetzt sitze ich im Flugzeug, denn ich verbringe die Ferien in Spanien...

 

"Achtung, Achtung alle bitte anschnallen. Wir müssen wegen eines kleinen Fehlers notlanden. Ich wiederhole: alle bitte anschnallen. Wir müssen wegen eines kleinen Fehlers notlanden.", hörte ich aus den Lautsprechern. Na toll, jetzt komme ich zu spät in mein Hotel, dachte ich mir. Kurz darauf landeten wir auf einer kleinen und verlassenen Insel.

 

Eine Stewardess sagte mir: "Du darfst dich ein bisschen umschauen, wenn du willst."

 

Ich beschloss, ein bisschen herum zu laufen. Das Wasser war ruhig. Es gab schöne Bäume, alle so wie sie gewachsen waren. Keiner war gefällt worden, egal wie er aussah. Überall blühte es und ich fühlte mich so wohl, als wäre ich zu Hause, als wäre ich perfekt so wie ich bin. Ich wollte diesen Ort niemals verlassen. Irgendwie fühlte ich mich magisch hierhin gezogen. Das Flugzeug konnte ohne mich starten. Ich wollte hier bleiben. Ich genoss jede Sekunde in vollen Zügen.

 

Als es dunkel war, legte ich mich hin und schlief sofort ein. Ich träumte einen wunderschönen Traum, aber als ich aufwachte, beobachteten mich unzählige schwarze Augen. Ich stieß einen lauten Schrei aus. Viele süße Tiere mit langen, großen Ohren, mit süßen Pfoten, einem Känguruschwanz und schwarzen runden Augen sahen mich an. Sie brachten mich in ein kleines Dorf. Ich bemerkte schnell, dass es unmöglich für mich war, durch die Tore des Dorfes zu kommen, weil ich mindestens einen Meter zu groß war. Doch als ich vor dem Tor stand, schrumpfte ich plötzlich und war genauso groß wie diese kleinen Tiere und in dem Dorf konnte ich sogar ihre Sprache verstehen. Das Dorf war wunderbar. Viele kleine Häuser, ein Brunnen, viele Bänke und es sah so aus, als würde sich niemand streiten und alles wäre perfekt. In der Dorfmitte war ein großes Haus, das von einer Mauer umzingelt war. Ein kleines Tier saß auf einer Bank und ich setzte mich zu ihm und sagte: "Hallo, ich finde euer Dorf wunderschön, aber ich habe viele Fragen."

 

"Ich kann dir Antworten geben. Frag mich nur." Ich hatte nie erwartet, dass diese Tiere so nett waren.

 

"Also als erstes, was seid ihr denn? Wieso habt ihr mich hierher genommen? Was ist das Haus, das da von den Mauern umzingelt ist?"

 

"Also wir sind Chipis, wir haben dich hierher geholt, weil du hierher gehörst. Wenn du nicht hierher gehören würdest, wärst du beim Tor nicht geschrumpft und zu dem Haus kann ich dir nur sagen, dass du dich von diesem Haus lieber fernhalten solltest. Ich habe eine Idee, du kannst heute bei mir übernachten. Komm mal mit.", ich fühlte mich willkommen und komischerweise traute ich mich einfach zu sagen, was ich dachte.

 

Es dauerte nicht lange, bis wir bei Lisi, dem Chipimädchen zu Hause waren. In ihrem Haus war jeder freundlich zu jedem. Mir blieb der Mund offen stehen: "Das ist wunderschön eingerichtet und so ordentlich. Kannst du mir dein Zimmer zeigen?“

 

"Na klar, ich tue das gern. Komm mit."

 

Ich war total aufgeregt. Ich hatte eine gute Freundin gewonnen, ohne überhaupt etwas tolles gemacht zu haben und ich durfte bei ihr übernachten. Ihr Zimmer war toll. Überall hingen Bilder von ihr und ihren Freunden. Sie hatte ein Bücherregal, ein großes Bett und viele Fenster, durch die das Licht fiel. Wir redeten so lange und dann kam ein Ruf: "Lisi, Maximilian, Ben, kommt bitte zum Essen. Lisi zog mich mit und stellte mich ihrer Familie vor: "Mama, Papa das ist meine Freundin Cara. Sie übernachtet bei uns. Cara das sind meine Eltern. Ben Maximilian. Das ist Cara. Cara sind meine Brüder.“

 

„Hallo Cara. Es freut uns, dass du hier bist. Hast du Hunger? Es gibt Nusssuppe.“, sagte der Vater. "Na klar, hört sich lecker an.", sagte ich.

 

Nach dem Essen gingen wir schlafen.

 

Ich wollte die ganze Zeit wissen, was sich hinter der Mauer im großen Haus befindet. Deshalb schlich ich, als alle schliefen, aus dem Haus. Im Dorf hörte ich keinen Mucks mehr. Aber wie sollte ich in das Haus kommen. Ich suchte alles ab. Aber fand nichts. Deshalb kletterte ich über die Mauer. Dafür brauchte ich 7 Anläufe bis ich es schaffte. In das Haus kam ich ganz leicht, weil die Tür offen war. Aber was im Haus war, konnte ich nicht glauben. Viele Chipis arbeiteten, kochten, mussten schwere Lasten tragen und sie sahen alle ganz anders aus als die Chipis, die ich vorher gesehen hatte. Entweder sie hatten viel kleinere Ohren, sie hatten keinen Känguruschwanz, manche hatten auch graue oder blaue Augen. Trotzdem wirkten sie nett und unschuldig. Ich beschloss, mit ihnen zu reden. Ein Chipi machte gerade eine kleine Pause und stellte sich als Paul vor.

 

"Entschuldigung wisst ihr, warum ihr hier seid und was tut ihr hier?"

 

Der Chipi erwiderte: "Wir sind hier, weil wir arbeiten müssen für die anderen."

 

"Warum müsst ihr denn für die anderen arbeiten?", fragte ich neugierig.

 

"Siehst du das nicht? Wir sehen anders aus, als die anderen, benehmen uns anders oder können etwas anderes. Wir sind Außenseiter wie du.", sagte Paul.

 

"Wie meinst du das, wie ich?", wollte ich wissen.

 

"Sieh dich doch mal an. Du bist ganz anders. Ich habe aber gehört, dass du in 3 Tagen erst hierher kommst.", sagte er. „Die Chipis sind zwar freundlich, aber ...“

 

"Was!", ich konnte das einfach nicht glauben. Diese netten, fröhlichen Tiere haben andere eingesperrt, weil sie ein bisschen anders waren. Ich konnte nicht glauben, dass die Chipis mich nur ins Dorf geholt haben, weil sie mich einsperren wollten. Lisi war doch so nett zu mir. Wusste sie davon?

 

"Warum bist du eigentlich hier?", fragte ich Paul, "Du siehst doch genauso aus wie alle anderen."

 

"Ich sehe zwar aus, wie alle anderen, aber ich habe eine eigenartige Fähigkeit, die mich und meine Familie hierher gebracht hat. Schau mal." Ich sah ihm tief in die Augen. Dort erschienen Bilder, Bilder aus seiner Vergangenheit. Ich sah wie er eingesperrt wurde und dass er das nicht wollte und seine Familie ihn erst versteckte und dann wurde er doch entdeckt und mitsamt seiner Familie hierher gebracht. Danach fragte ich ihn: "Wenn ich dir in die Augen schaue, sehe ich deine Vergangenheit?"

 

Er sagte: "Ja, meine Augen zeigen jedem das Schrecklichste, was mir je wiederfahren ist. Das fanden die anderen Chipis so merkwürdig."

 

"Und warum haben sie deine Familie eingesperrt", fragte ich und er erwiderte: "Weil meine Familie mich nicht allein lassen wollte."

 

"Wie ist es denn überhaupt dazu gekommen, dass die anderen euch ungewöhnliche Chipis hier gefangen halten.", wollte ich wissen.

 

"Vor 50 Jahren haben die Chipis einen König gewählt. Den falschen König für uns Sonderlinge. Denn er wollte nur, dass die, die nicht so sind wie er, eingesperrt werden und für die anderen arbeiten, damit die ein schöneres Leben führen konnten.", sagte Paul.

 

"Ich bin zwar noch nicht lange hier, aber ich habe noch nichts von einem König gehört.", meinte ich.

 

"Der König ist schon lange tot, aber sie haben einfach weitergemacht, weil niemand etwas dagegen gesagt hat."

 

"Dann sollten wir gegen die Gefangenschaft demonstrieren." Ich war selbst überrascht über meine Worte. Und ich überzeugte die anderen, dass wir uns das nicht länger gefallen lassen wollten. Wir beschlossen auszubrechen und auf dem Marktplatz zu demonstrieren.

 

Als es soweit war, hatten wir Schwierigkeiten, alle Chipis über die Mauer zu bekommen. Als wir es endlich geschafft hatten, versuchten uns gleich die erwachsenen Chipis, die auf der anderen Seite waren, aufzuhalten. Da aber heute Chipimarkttag war, waren alle Chipis auf dem Marktplatz versammelt und ich sah Lisi und rief sie zu mir und erklärte ihr unsere Lage. Ich hatte Angst, dass sie sich auch gegen mich stellt, aber sie erklärte mir, dass sie davon nichts wusste und es auch nicht gut findet. Ich hatte Angst was passieren könnte, mit mir, den anderen Chipis und Lisi. Aber nachdem sich Lisi zu uns gestellt hatte, entschied sich auch Lisis Familie dazu. Und dann Lisis Freunde und deren Familien. Und wir alle demonstrierten laut gegen die Gefangenschaft der außergewöhnlichen Chipis. Und wir wurden immer mehr. Danach war es nicht weiter schwer, fast alle anderen auch davon zu überzeugen. Die Chipis ließen uns frei.

 

Plötzlich spürte ich eine warme Hand auf meiner Schulter. „Aufstehen Cara, du verpasst sonst noch die Schule.“, hörte ich meine Mutter sagen. Ich blinzelte. Hatte ich alles nur geträumt?

 

Als ich wieder in der Schule war, war alles wie immer, oder etwa doch nicht: "Kannst du überhaupt irgendetwas, Carolin?", sagte Maik wieder mit einem gemeinen Grinsen zu meiner Klassenkameradin. Ich dachte an Lisi und wie sie mir zur Seite gestanden hat und wie ich mich getraut hatte, zu sagen, was ich denke. Und diesmal stellte ich mich neben Carolin und sagte zu Maik: "Lass uns in Ruhe!"

 

 

 

10 Jahre