Friedel
von
Lena Crüger
Ich bin Friedel und ein Bewohner des Meeres, denn ich bin ein Fisch. Ich wohne im Indik (indischer Ozean). Seit ich denken kann, wohne ich hier, an einem Korallenriff, doch seit einem Jahr sieht es leider immer schlimmer aus. Als ich vor 6 Jahren aus einem von hundert Clownfischeiern geschlüpft bin, sah das hier ganz anders aus. Überall blühten die Korallen und leuchteten in vielen bunten Farben, in grün, gelb, rot, orange und in allen erdenklichen Farben eben. Jetzt ist alles trist und grau, die Korallen sterben ab,und mit ihnen das GANZE RIFF und seine Bewohner. Wo früher Fische aller Arten und Formen das Riff besuchten, ist jetzt alles ruhig und verlassen.
Als ich heute aufgewacht bin, tränten meine Augen sogar, und das nur wegen eines Ölfasses, das in den Ozean gefallen ist. Wir können uns kaum mehr ernähren, denn der ganze Krill, den wir so gerne essen und den es hier früher in Massen gab, ist nicht mehr da! Mein Bruder Alfredo hat sogar schon eine Konservendose verschluckt. Morgen ist mein Schlüpftag, ich freute mich aber nicht unbedingt, bei diesen Umständen! Ich gehe dann mal in die Koralle, dachte ich mir. Und bald darauf war ich auch schon eingeschlafen.
Ich wurde geweckt, als ich plötzlich ein Rattern vernahm, es kam immer näher, und wühlte das Wasser auf, hellwach lugte ich zwischen den Algen hervor. Ich sah eine verhältnismäßig kleine Schiffsschraube, ich wunderte mich, normalerweise kamen Boote nicht so dicht an das Riff heran. Ich sah wie ein Mensch in das Wasser eintauchte. Er beäugte unser Riff misstrauisch. So wie er es anblickte, war er nicht sonderlich begeistert von meinem Heim. Er tauchte wieder auf. Ich lauschte, wie er zu jemandem auf dem Boot sagte: „Das kann man kaum mehr Riff nennen, außerdem schwimmt dort Müll herum, die Sicht wird einem vernebelt, weil überall Öl das Wasser beschmutzt!“ „Ich kann das auch nicht erklären“, sagte eine dunkle Stimme, „letztes Jahr war das hier noch eine schöne Gegend zum Tauchen und das Wasser leuchtete in allen Farben. Sind da unten überhaupt noch Fische?“ „Ich habe nur zwei Clownfische gesehen, die schienen mir aber sehr verängstigt.“ 2 Clownfische?, fragte ich mich. Ich war eigentlich der letzte Clownfisch hier! Außer mir lebten hier nur noch 20 andere Fische, die aber niemals ein Clownfisch waren. Vielleicht hat der Mensch mich wegen seiner Taucherbrille doppelt gesehen. Gerade wühlte sich wieder das Wasser auf und ich sah das Boot wegfahren. Traurig schwamm ich wieder in meine Koralle, ich hatte wohl an meinem Schlüpftag auf eine Art Wunder gehofft.
Mir fiel auf, dass immer wieder Boote zu unserem Riff fuhren und es nach jedem Besuch wieder etwas weniger Müll hier herumtrieb. So ging das immer weiter, bis zu einem ganz normalem Tag, ich aß gerade den letzten Krill, den es hier gab, als plötzlich Igel, der Kugelfisch, hier aufkreuzte. „Friedel!“, sagte Igel ganz außer Atem, „SIE haben Barty!“ Barty war ein Aal. „Wer sind SIE?“, fragte ich. „Na SIE, die Zweibeiner! SIE kamen wie immer mit ihren Plastiktüten um dort das ganze Riffzerstörerzeugs rein zu tun. Wie immer war Barty neugierig und außerdem denkt er, dass er ihnen zeigen sollte, dass...“ „Komm zur Sache!“, fiel ich ihm aufgeregt ins Wort. „Zumindest ist er auf SIE zu- geschwommen und SIE haben ihn auch gesehen, aber dann haben SIE ihn gefasst und... und sind mit ihm sofort abgedüst!“ „Wie haben SIE ihn gefasst? Er muss ihnen doch einen Stromschlag verpasst haben! Das können Zitteraale doch!“ „Mit einer Plastiktüte haben sie ihn geschnappt!“ Das musste ich erst einmal schlucken. Was die Menschen wohl mit ihm machen werden? Vielleicht irgendwelche chemischen Versuche mit ihm durchführen? Von denen mir Mama erzählt hat. Oder ihn in einen ausbruchssicheren Mini-Behälter stecken, welche die Menschen auch Aquarium nannten.
Igel war schon weg. Ich dachte über mein Leben nach. Ich kam zu dem Schluss, dass es sich nicht mehr lohne auf dieser Erde weiter zu leben. Ich würde sowieso bald sterben. Wenn ich mich den Menschen ausliefern würde, wäre ich zumindest noch ein Nutzen für sie! Ja, für mich waren sie jetzt wieder sie und nicht SIE! Es verging ein Tag, dann noch einer. Schließlich eine Woche.
Dann kamen sie wieder. Ich schwamm auf sie zu. Ich merkte, dass jemand auf mich zeigte und dann auf mich zu- schwamm. Er holte eine Tüte hervor und umschloss mich mit ihr. Plötzlich verspürte ich Panik, zum ersten Mal in meinem Leben. Wie ein Verrückter schwamm ich gegen die Wand aus Plastik an - mit dem Versuch, sie zu zerreißen. Es klappte nicht. Ich wurde aus dem Wasser gehoben. Jemand ließ mich in einen Wasserbehälter fallen. Dort schlief ich ein. Ich wachte auf, als mich wieder jemand mit einer Tüte aus dem Wasserbehälter hob. Ich wunderte mich als ich nicht in irgendein komisches Gebäude getragen wurde, sondern wieder ins Meer gekippt wurde. Das Wasser war wärmer als das zu Hause.
Ich sah ein Riff, aber nicht so eins wie das, in dem ich vorher gelebt habe, nein ein viel schöneres, das noch in seiner ganzen Pracht blühte und leuchtete in allen Farben. Es war wunderschön und überstieg all meine Hoffnungen. Kein Müll schwamm durch die Gegend und kein Öl verschmutzte das Wasser, nein alles war so, wie es sein sollte. Bis auf eine klitzekleine Sache.
Ich war allein. So wie immer, der einzige meiner Art. Oder? Nein, ich sah einen anderen Clownfisch auf mich zu schwimmen. „Hallo, ich bin Fiodora.“, sagte sie.
Ein Jahr später:
Hallo, ich bin Friedel und wahrscheinlich der glücklichste Fisch auf der ganzen Welt. Ich habe 96 Kinder. 16 heißen Max, 16 Madlene, 16 Theo, 16 Silvanne, 16 Alfredo und 16 Laymi. Die ruhigste von ihnen ist Madlene8, der lauteste Max13. Fiodora und ich haben alle Flossen voll zu tun mit ihnen. Wir wohnen in einer orangenen Koralle mit viel Platz. Was den Rest der Einwohner meines alten Korallenriffes angeht: denen habe ich eine Nachricht per Buckelwal geschickt. Auf den Gesang des Buckelwales hat schließlich auch jeder gehört. Zum ersten Mal, (sagt Fiodora zumindest) waren die Menschen fair zu mir und meiner Welt.
Tschüss
Friedel!
11 Jahre