S.O.S. Urwald von Luca Marie Böttner

 

S.O.S  Urwald

 

 

Feuer, Feuer, Hilfe es brennt!

 

 

Schnell schwang ich mich von Ast zu Ast. Unzählige Gedanken wirbelten durch meinen Kopf. Doch keiner von ihnen wollte deutlich werden. Ich versuchte mich zu erinnern. Eben saß ich doch noch auf meinem Lieblingsbaum  und regte mich über die Bauarbeiter auf, die schon seit Wochen die Bäume in diesem Teil des Waldes fällten. Plötzlich jedoch packten sie ihre Sägen ein und stiegen in einen Hubschrauber der gerade auf der kahlen, abgeholzten Fläche gelandet war. Nur einer der Männer, ein Riese breiter als ein Schrank stieg nicht ein.   Nur seine Säge gab er den anderen Männern mit. Er selbst lief zu einem Haufen trockenen Laubes. Er zog etwas aus seiner Tasche. Ganz kurz, für den Bruchteil einer Sekunde flammte ein Licht auf, doch dann war es wieder verschwunden.

 

 

Ich dachte mir weiter nichts dabei. Beobachtete lieber fasziniert den Hubschrauber der mit  dröhnendem Rotor auf den Riesen gewartet hatte und nun abhob und davon schwirrte. Nachdenklich drehte ich mich um. Was sollte dieser plötzliche Aufbruch? Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Auf einmal stieg mir ein beißender Gestank in die Nase. Aber nach was roch es denn hier? Langsam drehte ich mich um. FEUER!!!

 

Tatsächlich, der Laubhaufen brannte lichterloh. Das Feuer griff schon nach den nahe stehenden Bäumen. Mit rasender Geschwindigkeit breitete es sich aus, verschlang alles was in seine Reichweite kam. Und deshalb hechtete ich jetzt durch die Baumwipfel. Schneller und schneller musste ich klettern. Doch das Feuer kam trotzdem unaufhaltsam näher, es saß mir im Nacken wie ein gefräßiges Tier, das nur darauf wartete sich auf mich zu stürzen. Schon leckten die Flammen an dem Ast auf dem ich noch bis vor wenigen Sekunden gesessen hatte. Ich kletterte weiter. Ich wollte zum Dreizack. Einem hoch in den Himmel ragenden Fels. Seine Spitze ist in drei Teile gespalten, wie bei den Spitzen eines Dreizacks.

 

Der Grund warum ich zum Dreizack wollte, war einfach. Stein brennt nicht. Deshalb ist der Dreizack der sicherste Ort bei Feuer. Seine mittlere Spitze ist nicht wie die beiden Äußeren spitz zulaufend sondern endet in einem Plateau. Dort oben liegt ein glasklarer  kleiner See, welcher in einem Wasserfall endet der tosend die Felswand hinunter stürzt. Doch bis jetzt hatte ich immer nur von diesem Plateau träumen können. Nur dem jeweils ältesten Affen der Familie ist es gestattet, die mittlere Zacke zu erklimmen. Dies besagt eine schon uralte Tradition der Orang-Utans. Mein Großvater war einmal dort und erzählte mir davon. Viele Abende lang. Immer dann wenn mich etwas beschäftigte und ich deshalb auf meinem Baum saß und nicht einschlafen konnte.

 

 

All diese Gedanken wirbelten durch meinen Kopf. Von meinem Großvater, der vor einigen Monaten spurlos verschwand. Vom Plateau auf dem Dreizack und der Tradition die ich jetzt brechen würde. Ich fand nämlich das mein Leben über einer alten Tradition stand All das und noch vieles mehr. Da plötzlich -  der Ast, über den ich rannte, fing Feuer. Es war schneller als ich, fraß sich den Ast entlang und nur noch wenige Zentimeter trennten uns. Unter mir am Boden rannte eine Tigermutter mit zwei Jungtieren. Der Himmel über mir war dunkel vom Rauch. Die Vögel flogen über die dunklen Schwaden. Doch alle kleinen Vögel, die es nicht über die Rauchschicht schafften, mussten hier unten auf der Erde oder in den Bäumen ums Überleben kämpfen wie ich.

 

Plötzlich spürte ich ein Stechen, ein Ziehen, einen unglaublich  starken Schmerz. Das Feuer hatte den Moment, in dem ich von den Fluchtversuchen der anderen Tiere abgelenkt war, genutzt. Sich an mich heran gepirscht und mich überrascht. Mein linker Hinterlauf war angesengt. Es brannte und zog, doch ich rannte weiter. Nur weg vom Feuer. Doch der Ast war zu Ende. Das Feuer war dicht hinter mir, und der nächste Baum schien unerreichbar. Sollte ich springen? Es war zu weit. Ich würde es nicht schaffen. Aber wohin sollte ich, wenn ich nicht sprang? Das Feuer war jetzt direkt hinter mir. Aber der nächste Ast  - er schien unendlich weit weg. Dann war es da. Mit heißen Fingern umschloss es mich. Nahm mir den Atem und verbrannte mein Fell. Ich verlor das Gleichgewicht und stürzte. Es schien als würde ich in ein Loch fallen. Ein bodenloses Loch. Dann wurde alles schwarz. Ich spürte nichts mehr und dachte nichts mehr.

 

Als ich die Augen wieder öffnete war es still. Nur ein leises Plätschern war zu hören. Ich wollte den Kopf drehen, doch mein ganzer Körper schmerzte dabei so sehr, dass ich es sein ließ. Plötzlich viel ein Schatten auf mich. Ein großer Schatten. Und dann beugte sich jemand über mich. Es war - mir stockte der Atem - die Tigermutter! „Ganz ruhig Kleiner!“, schnurrte sie. Ich war zu Tode erschrocken. Wo war ich? Warum fraß die Tigerin mich nicht?

 

 

Ich richtete mich auf. Es tat zwar unglaublich weh, aber es musste sein.  Ich schaute mich um und traute meinen Augen nicht. Ich war auf dem Dreizack und lag auf einem großen Stein nahe der Uferböschung. Hatte ich das Feuer nur geträumt? Und wo war die Tigermama? War sie ebenfalls nur ein Traum gewesen? Fragen über Fragen. Ich stand auf und sah an mir hinab.

 

 

Was war mit mir passiert? Mein Fell war schwarz und roch nach Rauch. Meine Pfoten waren zerkratzt und blutig. Plötzlich stupste mich jemand von hinten an. So doll, dass ich das Gleichgewicht verlor und nach vorne viel. Kinder, Kinder, seid ein bisschen vorsichtig mit ihm, ihr seht doch, dass er verletzt ist. Die Tigermutter kam heran gesprungen und scheuchte ihre beiden Jungtiere fort. Die Beiden hatten wohl mit mir spielen wollen und waren dabei etwas heftig geworden. Nun kam die Tigermama auf mich zugesprungen. Ich wollte flüchten, doch mein verletzter Körper ließ sich nur langsam bewegen. Und auch das war schon äußerst schmerzhaft. Trotzdem kam ich bis zum Rand des Plateaus bevor die Tigerin mich eingeholt hatte.

 

„Keine Angst Kleiner“. „Ich tue dir nichts“. Ich war mir da nicht so sicher. Aber was sollte ich tun? Hinter mir war ein etwa 50 Meter tiefer Abgrund und auf der anderen Seite stand die Tigerin. Ich musste ihr also vertrauen. „Wieso bin ich hier?“ Das war das einzige was ich heraus brachte. „Ich habe dich gefunden.“ „Du lagst auf dem Waldboden und warst am Ersticken.“ „Der Rauch nahm dir den Atem.“ „Ich kam mit meinen beiden Jungen vorbei.“ „Wir waren auch auf der Flucht vor dem Feuer.“ „Aber warum hast du mich mitgenommen?“ „Ich meine, du bist ein Tiger und ich bin ein Affe.“ „Tiger fressen doch Affen.“ „Aber bei Feuer helfen alle Tiere allen.“ „So lautet ein Abkommen aller Tierarten im Regenwald.“ „Ach so.“ „Aber was ist denn jetzt eigentlich mit dem Feuer?“ Ich lief die letzten Schritte bis zur Steilwand.

 

Unter mir lag ein schwarzgrauer rauchender Wald. Wenn man es überhaupt Wald nennen konnte. Es war mehr eine Ansammlung verbrannter toter Bäume. Aber sie brannten nicht mehr. Einige schwelten noch vor sich hin, aber Feuer war nicht mehr zu sehen. „Was ist passiert?“ „Warum brennt es nicht mehr? „Es hat geregnet. Ein heftiger Guss. Er hat alles gelöscht. Du hast es nicht gemerkt, weil du bewusstlos warst. Plötzlich flog etwas durch die Luft. Ein Stein. Er traf die Tigerin am Rücken. Aus einem Gebüsch sprang ein Affe. Er schwang einen weiteren Stein in der Pfote und rief: „Komm her du hässliche Kreatur.“ „Aber lass meinen Enkel in Ruhe!“

 

 

Als ich erkannte, wer der Steinschleuderer war, blieb mir vor Erstaunen der Mund offen stehen. Es war nämlich mein verschollener Großvater der dort stand. Gerade holte er erneut aus, um den nächsten Stein zu werfen. Ich rannte auf ihn zu, sprang ab und landete direkt in seinen Armen noch bevor er den Stein hatte werfen können. Ich umarmte ihn ganz fest und er erwiderte die Umarmung ebenso herzlich.  Doch dann setzte er mich ab und sah sich um. Die Tigerin war verschwunden. Ich hatte mich doch noch gar nicht bedankt. Schnell lief ich zum Rand des Plateaus. Doch auch auf dem Pfad nach unten war niemand zu sehen. Deshalb schrie ich nur, so laut ich konnte: „ Danke für alles.“ Und ich glaube bis heute, dass die Tigerin dieses Danke gehört hat.

 

Heute lebe ich wieder im Urwald. Mit meiner ganzen Familie. Sogar mit meinem Opa. Er hat mir nie erzählt, wo er die letzten Jahre war. Ich habe sie alle wieder gefunden. Doch nicht alle Familien hatten so viel Glück wie unsere. Viele haben Verwandte oder Freunde verloren. Alle Tiere sind sich einig, dass die Menschen dieses Feuer gelegt haben, um den Urwald schneller roden zu können. Deshalb habe ich eine Bitte: „Passt auch auf uns auf, und fügt keinem Tier mehr Schaden zu. Denn auch wir sind wichtig. Nehmt euch diese Bitte zu Herzen. BITTE!

 

 

 

11 Jahre